Erfahrungsbericht Ermüdungsbruch

Erfahrungsbericht Ermüdungsbruch – Ein Beitrag von Anja Prieler-Kemboi, Leistungsathletin aus Klagenfurt.

„Der Mensch hat dreierlei Wege klug zu handeln: erstens durch nachdenken, das ist der edelste, zweitens durch nachahmen, das ist der leichteste, und drittens durch Erfahrung, das ist der bitterste.“ (Konfuzius)

Erfahungsbericht Ermüdungsbruch

Der Schmerz kommt immer im falschen Moment

Erfahrungsbericht ErmüdungsbruchDas kennen wir Läufer wohl alle – immer, wenn wir so richtig gut in Form und bereit zur persönlichen Bestzeit sind, fängt es auf einmal an, an irgendeiner Stelle zu zwicken: Es schmerzt ganz leicht im Schienbein oder im Wadenmuskel, im Sprunggelenk, im Mittelfuss oder im Oberschenkel. Ganz egal, wo wir den Schmerz spüren, wir reagieren meist alle mit derselben, für uns klugen Lösung – mit gekonnter Ignoranz.

Solange wir locker laufen, spüren wir gar nichts, machen wir Intervalle, nehmen wir den Schmerz nur minimal, wenn überhaupt, wahr. Alles ist in Ordnung und wir denken auch gar nie an das kaum spürbare Ziehen.

Verdrängung – da kennen wir uns aus

Nach ein paar Verdrängungswochen fängt der Schmerz an, dich auch in der Ruhephase zu stressen: In der Nacht – oder am Morgen nach dem Aufstehen. Du entscheidest dich, ein paar lockere Tage einzulegen. Jogging auf Rasen, danach eine Schmerztablette, am nächsten Tag das gleiche Programm. So kannst du dich ganz gut über Wasser halten, wäre da nicht das Ziehen in der Nacht, das sich mittlerweile in ein pochendes Stechen verwandelt hat. Es weist bereits einen Druckschmerz auf und raubt dir immer mehr den Schlaf.

Wettkampftag – trotz allem

Der Tag des wichtigen Wettkampfes, dem wochenlang deine ganze Motivation galt, ist gekommen. Heute muss alles perfekt laufen. Was danach kommt, ist egal. Dann ist sowieso die wohlverdiente Pause angesagt. Schon beim Aufwärmen fängt es trotz eingeworfener Schmerztabletten an, ein wenig zu ziehen. Du entscheidest dich deshalb, die Steigerungsläufe einfach weg zu lassen.

Dann fällt der Startschuss und du bist voll auf den Lauf konzentriert. Ganz versteckt schleicht sich das Gefühl „Schmerz“ in deinen Kopf, wird jedoch, wie kann es anders sein, gekonnt ignoriert. Nach ein paar Kilometern musst du aber feststellen, dass heute irgendwie nicht dein Tag ist: Das Frühstück ist nicht gut verdaut, der Wind viel zu stark, die Strecke zu kupiert – und überhaupt. Wer soll bei solchen Bedingungen bitte schnell laufen können? Mission Bestzeit – Ade!

Der Laufstil wird verkrampfter und verwandelt sich immer mehr in ein gequältes Humpeln. Im Ziel angekommen stellst du fest, dass du eine Zeit gelaufen bist, die du vor der Verletzung im Training dreimal hintereinander und rückwärts gelaufen wärst. Du schleppst dich irgendwie zum Auto und dann steht dir eine wundervolle Heimreise voller Enttäuschung, Selbstmitleid und Schmerzen bevor.

Die Diagnose bringt Klarheit

ermuedungsbruch

Foto: Anja Prieler-Kemboi

Am nächsten Morgen sitzt du beim Orthopäden und ahnst schon, welche Diagnose er stellen wird: Ermüdungsbruch, Stressfraktur, Haarriss. Die erwähnte Stelle ist also gestresst – und du bist es noch viel mehr. Zu viel, zu einseitig, zu intensiv, zu lange mit den Schmerzen gelaufen. Jetzt ist der Moment des Akzeptierens gekommen und du ahnst, was du die nächsten Wochen sicher nicht machen wirst – nämlich laufen. Die ganze Form – hart erarbeitet – ist mit einem Mal dahin, so wie deine Motivation und die ersten Tage fühlst du dich extrem antriebslos.

Das Entlastungssyndrom hat sich angekündigt und du kommst nicht mehr richtig aus dem Bett. Nach einer Woche Nichtstun fühlst du jedoch schon eine minimale Besserung an der schmerzenden Stelle, und nach der scheinbar ewig langen Woche voller Antriebslosigkeit, fängst du endlich wieder an zu kämpfen. Und dies mit allen Mitteln: Rotlicht, Magnetmatten, Kalzium, Vitaminpräparaten. Von nun an wird im Hallenbad geschwitzt und aquagejoggt, bis du es endlich wieder spürst: Das Laktat in deinen Muskeln. Wie hast du das vermisst!

Der Weg zurück

Einstieg nach Ermüdungsbruch

Foto: Anja Prieler-Kemboi

Nach einer langen Phase des Alternativtrainings ist es dann endlich so weit: Der Kallus hat sich gebildet und der Arzt gibt grünes Licht. Noch ein wenig mit Angst besetzt, beginnst du deine ersten Laufschritte. Fünf, vielleicht sogar sechs Kilometer – herrlich!

Es wird ein paar Wochen dauern, bis du wieder totale Sicherheit bekommst. In spätestens zwei Monaten kannst du wieder an deine Form anknüpfen und meistens kommst du sogar etwas stärker zurück. Das liegt daran, dass die ganze Ermüdung aus dem Körper gewichen ist. Nicht selten hängt ein Ermüdungsbruch mit einem Übertraining zusammen. Aber das ist eine andere Geschichte.

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